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Greta Hoheisel, anlässlich Ausstellungsreihe `# 32 Die ersten Jahre der Professionalität  ́,

Galerie der Künstler, München (2013)

In einer äußerlich kontrollierten Welt darf sich das Wuchernde nur selten zeigen. Häufig wächst es verborgen unter einer glatten Oberfläche. Keiyona C. Stumpfs Zeichnungen, Plastiken und Rauminstallationen erwecken den Eindruck, die Künstlerin hätte die schützende Außenhaut abgeschält; die Objekte erinnern an Inneres oder Organisches, seltsam Vertrautes, das den Blicken zugänglich wird. Dabei liegen die Objekte nicht leblos und still, sondern wachsen wie in „Umwälzung“ (2008) über Podeste oder heften sich in der Arbeit „Metamorphose“(2008) an statische Architektur, an Wände, Fußböden und Decken.

In diesem scheinbaren Zustand des Wachsens wirken viele Formen als würden sie sich aus sich selbst heraus gebären. Besonders in Arbeiten wie „Metamorphose“ oder „Lustwandel“ (2009) scheint es, als läge den Objekten eine gemeinsame „Urform“ zu Grunde. In stetiger Wiederholung verändern sie sich, ohne die Nähe zu ihrem vermeintlichen Ursprung zu verlieren. Wie in formästhetischen Studien werden dabei in vielen Arbeiten Symmetrieverhältnisse sichtbar. Die „Idealform“ und Ordnung ist jedoch durch feine Brüche und Abweichungen gekennzeichnet und entpuppt sich nicht nur als äußerliches Formprinzip: man fühlt sich an die symmetrische Teilung als ein Entwicklungs-, Wachstums-und biologisches Fortpflanzungsmuster, an Chromosomen und Gene erinnert. Die Momente der Transformation und Ausbreitung stehen wie in der Natur auch in Keiyona C. Stumpfs Arbeiten häufig in Zusammenhang mit Symmetrien.

Seit jeher wird Symmetrie als ein Kriterium für Schönheit gehandelt. Schönheit wohnt allen Arbeiten von Keiyona C. Stumpf inne, sei es mit oder ohne offensichtliche Symmetrieverhältnisse. Die mit bildhauerischer Präzision gearbeiteten Objekte üben eine besondere Faszination aus, sprechen den haptischen Sinn an, können einen aber auch erschaudern lassen. Das Organische, das Innere und das Unbekannte, liegen scheinbar gehäutet oder wie nach außen gekehrt da. Die leicht glänzenden Oberflächen, die „fleischigen“ Formen, die wie bei „Omphalos“ (2011) an Nabelschnüre erinnern und den Glassturz, der alles wie eine Ersatzhaut zusammen hält, zu sprengen drohen, lösen Distanzierung und Neugier zugleich aus.

Momente des organisch Wachsenden und des in Transformation Befindlichen finden sich auch im Arbeitsprozess selbst und im Umgang mit den Materialien. Neben Gips und Papier nutzt die Künstlerin Kunststoffe und Plastikfolien, Fundstücke und Abfall des Alltagslebens, schmilzt diese und verformt sie. Verschiedene Aggregatszustände kommen zum Tragen, Übergänge vom Festen, zum Flüssigen, zurück zum Festen werden erprobt. Keiyona C. Stumpf nutzt die Eigendynamik des Materials und Momente des Zufälligen, um ihren Objekten die Erscheinung wachsender Ausbreitung zu verleihen.

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